New World of Work: Wie Betriebe und Mitarbeiter profitieren

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Interview von Rainer Seebacher mit Michael Bartz (Prof. IMC FH Krems) für T-Mobile Business:

Ob Home Office oder mobiles Büro. Flexibles Arbeiten ist bei Mitarbeitern beliebt und bringt Arbeitgebern viele Vorteile. Im Interview spricht Professor Michael Bartz, Leiter des Forschungszentrums „New World of Work“ an der IMC FH Krems, über die vielen Chancen aber auch Risiken der neuen Welt des Arbeitens.

Frage: Wo fängt ein kleines bis mittelgroßes Unternehmen an, wenn es sich auf die „New World of Work“ einlassen will?

Prof. Michael Bartz: Am besten begeben sich die Führungskräfte eineinhalb Tage lang mit einem Experten oder einer Expertin in Klausur. In dieser Zeit entwickeln sie eine Vision, ein konkretes Zielbild und erstellen dazu eine Entwicklungslandkarte, eine Transformation-Map. Aus diesem Stufenplan entstehen dann 10 bis 15 Einzelprojekte, etwa zu IT, Büro und Führungsstil. Parallel dazu muss die Führungsetage eine Antwort darauf haben, was die flexiblen Arbeitsformen dem Unternehmen überhaupt bringen sollen. Das Erreichen von Zielen muss messbar sein und laufend überprüft werden. Ansonsten schläft der Prozess erfahrungsgemäß ein.

Frage: Welche Rolle spielt dabei der von Ihnen entwickelte „New World of Work Readiness-Index“?

Prof. Michael Bartz: Nach 5 Jahren Forschung haben wir jetzt ein Benchmark für Unternehmen entwickelt. Der Index wertet die zeitliche und räumliche Autonomie, das Performance Management, die Weiterbildung, das Wissensmanagement und die Organisation eines Betriebs aus. Zudem gibt er Informationen zur Arbeitgeberattraktivität, zu Teamwork, zu Büroinfrastruktur und zur Technologienutzung. Die Führungskräfte erfahren so, wo ihr Unternehmen im Vergleich zu anderen in der Branche steht. Das Ergebnis des Index kann als Startpunkt für die vorher erwähnte Entwicklungslandkarte dienen.

Frage: Wenn sich ein Unternehmen auf die „New World of Work“ einlässt entstehen zunächst einmal Kosten. In welchem Zeitraum kann eine Firma diese wieder zurückverdienen?

Prof. Michael Bartz: Das ist in einem relativ kurzen Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren möglich. Das größte Einsparungspotenzial bieten die Bürokosten. Diese sind für Unternehmen oft der zweitgrößte Kostenblock, gleich hinter den Personalkosten. Bei der Umgestaltung des Microsoft-Standortes in Wien konnte das Unternehmen eine gesamte Etage einsparen, und so die Bürokosten um fast ein Drittel reduzieren. Bei flexiblen Arbeitsmodellen ist es nicht notwendig, dass jeder Mitarbeiter einen Schreibtisch sein Eigen nennt. Der Standort eines Unternehmens kann also kleiner und damit auch kostengünstiger sein. Durch die „New World of Work“ können Firmen auch Reisekosten und die Anzahl der Krankenstände senken. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter und deren Produktivität steigt hingegen.

Frage: Flexible Arbeitsformen bringen Unternehmen also handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile und sind bei Mitarbeiter erwünscht. Da ist es verwunderlich, warum flexible Arbeitsplätze in Österreich eher die Ausnahme sind. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Hürden?

Prof. Michael Bartz: Die größte Hürde ist die kulturelle in den Köpfen der Führungskräfte. In der auf Präsenz der Mitarbeiter basierenden Arbeitswelt funktioniert das Führen durch Kontrolle. Virtuelle Teams lassen sich aber so nicht leiten. Führungskräfte müssen lernen, über Ziele zu führen. Der Vorgesetzte muss sich als Coach seiner Mitarbeiter, und nicht als oberstes Kontrollorgan verstehen. Der Prozess von kontrollorientierter zur vertrauensbasierter Unternehmenskultur kann länger dauern. Es ist unmöglich, ihn von oben zu verordnen. Das Management muss den neuen Führungsstil und die neue Unternehmenskultur schrittweise einmassieren. Diese Transformation dauert unserer Erfahrung nach 3 bis 5 Jahre.

Frage: Ist die Implementierung von „New World of Work“ nur Sache der Führungskräfte? Ist es etwa auch möglich, dass die Mitarbeiter flexible Arbeitsformen ablehnen?

Prof. Michael Bartz: Nein. Für die Mitarbeiter bedeuten flexible Arbeitsmodelle ein Mehr an Möglichkeiten. Sie selbst können entscheiden, ob sie von zuhause aus arbeiten oder lieber im Büro sind. „New World of Work“ bedeutet nicht, dass alle Mitarbeiter, bildlich gesprochen, an die lange Leine gelassen werden. Es gibt Menschen, denen dies überhaupt nicht behagt, und die eine engere Betreuung und Verbindung wünschen. “New World of Work” bedeutet eine Abkehr von der heute üblichen Einheitlichkeit. Neues Arbeiten steht für Vielfalt und eine Arbeitswelt der Möglichkeiten.

Fragen: Sind Führungsstil und Unternehmenskultur die einzigen Hürden?

Prof. Michael Bartz: Das österreichische Arbeitsrecht ist nicht die größte Hürde, aber immer noch ein sehr großes Hemmnis. Das Bewusstsein ist aber da, dass es hier zu einer großen Reform kommen muss. Und: Es gibt in Österreich ein sehr große Zahl von Unternehmen, die schon über 10 und mehr Jahre gezeigt haben, dass man mit den rechtlichen Hürden umgehen kann.

Frage: Wie stehen Gewerkschaften und Arbeiterkammer zur „New World of Work“?

Prof. Michael Bartz: Bei BMW in München forderte der Gesamtbetriebsrat letztendlich sehr stark flexible Arbeitsformen ein. Die Arbeitnehmerseite weiß, dass flexible Arbeitsformen enorme Vorteile bringen: Das Privatleben lässt sich mit dem Job besser vereinbaren. Darüber hinaus sind die modernen, flexiblen Arbeitsweisen und auch moderne dementsprechende Büroumgebungen, viel gesünder. Untersuchungen zeigen, dass sich die Mitarbeiter dort drei mal so viel bewegen wie in konventionellen Büros. Dies hilft, die Volkskrankheiten wie Diabetes und Rückenschmerzen erheblich zu vermindern.

Frage: Ihr Forschungszentrum arbeitet mit der Arbeiterkammer Niederösterreich zusammen. Welchen Zweck verfolgt diese Kooperation?

Prof. Michael Bartz: Wir kooperieren, um die Effekte von „New World of Work“ zu erforschen. In ihrer Zentrale implementiert die Arbeiterkammer Niederösterreich flexible Arbeitsformen Schritt für Schritt. Wir untersuchen, wie sich diese auf die Organisation auswirken. Die Erkenntnisse können dann auch später in die Weiterentwicklung des Arbeitsrechts mit einfließen.

Frage: Hat die „New World of Work“ auch eine Schattenseite?

Prof. Michael Bartz: Gefahren gibt es, ja. Wenn Mitarbeiter auf die neue Arbeitsweise zu wenig vorbereitet werden, dann kann dies direkt ins Burnout führen. Die Mitarbeiter müssen fähig sein, sich abzugrenzen, sich selbst organisieren zu können. Teams müssen sich auf Spielregeln einigen. Wie gehen wir mit E-Mails am Abend um? Tragen die Teammitglieder ihre Home-Office-Zeiten in einen Kalender ein? Wann ist der Präsenzstatus eingeschaltet, wann nicht? Ein Unternehmen muss sich die „New World of Work“ schrittweise erarbeiten. Den Schalter von der traditionellen Arbeitsweise zur flexiblen einfach über Nacht umzulegen, führt nur in den seltensten Fällen zum Erfolg.

Frage: Kann ein schneller Umstieg nur selten oder quasi nie zum Erfolg führen?

Prof. Michael Bartz: Ich kenne eine Ausnahme: Die Niederlassung von Ricoh in Ungarn, in der 60 bis 70 Mitarbeiter beschäftigt sind, hat die Umstellung auf flexible Arbeitsmodelle innerhalb weniger Monate durchgezogen. Allerdings waren die Umstände besondere. Für Ricoh stand ein Umzug an, das Management wollte auch Kosten reduzieren. Im Zuge dieses Veränderungsprozesses führte die Geschäftsführung dann gleich mobiles Arbeiten ein. In der nur 2 bis 3 Monate langen Vorbereitungszeit plante Ricoh die Büros neu, setzte ein Minimalset an Spielregeln fest und ergänzte die Arbeitsverträge der Mitarbeiter entsprechend. Ganz wichtig war dabei das Commitment, sich Fehler erlauben zu können. Erst nach der Umstellung hat dann Ricoh begonnen, an den Details der Transformation zu arbeiten. Experten bezeichnen dies als Reverse Engineering. So etwas funktioniert aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. In Großbetrieben mit mehreren tausend Mitarbeitern wäre dies nicht so einfach möglich – aber immerhin in Teilbereichen vorstellbar.

Frage: In Österreich bietet nicht einmal ein Fünftel der Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle an. In Großbritannien sind es bereits die Hälfte. Wird es hierzulande zu einem Boom kommen?

Prof. Michael Bartz: Das glaube ich nicht. Die Entwicklung wird schrittweise erfolgen. Einige Firmen wie etwa Microsoft, IBM, HP, Fujitsu oder Ricoh nutzen flexible Arbeitsformen teilweise schon sehr lange. Auch außerhalb der IT-Branche setzen sich Unternehmen wie etwa die Bank Austria, die Erste Bank oder die Österreichische Post AG, mit der „New World of Work“ auseinander. Der Mittelstand steht dem Thema indes noch sehr reserviert gegenüber. Hier hängt es sehr stark vom Eigentümer ab, ob sich das Unternehmen mit diesem Thema beschäftigt oder nicht. Startups hingegeben haben flexible Arbeitsformen in ihrer DNA. Das ändert sich auch nicht, wenn sie sehr stark wachsen. Wer sich einmal auf die „New World of Work“ einlässt, will offenbar gar nicht mehr zur traditionellen Arbeitsweise zurückkehren.

ad Personam

Professor Michael Bartz war lange Jahre in der Industrie (Philips, Capgemini, Microsoft) beschäftigt. 2010 übernahm er eine Professur an der IMC FH Krems. Dort leitet er das „New World of Work“ Forschungszentrum. Er und sein Team messen und bewerten die betriebswirtschaftlichen Veränderungen bei Unternehmen, die innovative Arbeitsformen und -technologien nutzen. Bartz informiert in seinem „New World of Work Blog“ regelmäßig über seine Forschungsarbeit. Gemeinsam mit Thomas Schmutzer, Geschäftsführer von HPM-Consulting, hat Bartz den „New World of Work Readiness Indikator“ entwickelt, und das Buch „New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt“ publiziert. Einen guten Einstieg in das Thema bietet auch das Whitepaper „New World of Work“, das das Finanzministerium anlässlich des Home Office Day 2014 herausgebracht hat

Zu T-Mobile Business: http://blog.t-mobile-business.at/new-world-of-work/

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